18.05.12

Erwartete Überraschung

Ich drehe den Schlüssel um, drücke die Tür auf und betrete das Haus. Die Luft steht still, es ist kalt. Erst stelle ich den Einkaufskorb ab, dann meine Tasche, die Jacke hänge ich auf, die Schuhe lasse ich jedoch an.
Ich bleibe im Dunkeln stehen und mich überkommt sofort eine Gänsehaut, sodass ich kurz zusammen zucke. Im Flur schalte ich den Lichtschalter ein, anschließend gehe ich ins Wohnzimmer, mache es auch dort und setze mich hin.
Plötzlich höre ich ein Knartschen aus dem hinteren Teil des Hauses. Ich erhebe mich und gehe in den Flur, lausche. Schon wieder höre ich das Geräusch. Ich folge ihm. Es führt mich durch den langen Flur bis vor eine Tür, hinter ihr höre ich schweres Atmen. Schweres Atmen und ein leises Stöhnen.
Mich überfällt eine Schockstarre. Meine Augen sind aufgerissen, mein Mund geöffnet, mein Blutdruck steigt, ich zittere.
Genau zu wissen, was mich erwartet, greife ich zur Türklinke und drücke sie hinunter. Ein Spalt öffnet sich, ich drücke die Tür auf und sehe genau das, worauf ich so unerwartet vorbereitet war.
Im Bett räkelt sich Rebecca, ihren Arm gerade empor gestreckt, ihren Körper,  von einem Schauer der Befriedigung erfasst, entweicht ein angehaltenes lautes Stöhnen. Auf ihr Simon. Er bemüht sich sie zu befriedigen, wird immer schneller und kurz nachdem Rebecca gekommen ist, entfährt auch ihm im Schwall seiner Erregung ein starkes Stöhnen. Entledigt all seiner Kräfte bricht er über ihr zusammen und beide fangen leise anzulachen, leise und verlegen.
Ich stehe da, all dieses betrachtend, nicht möglich dazu, irgendetwas über meine Lippen zu bringen. Pures Entsetzen füllt meinen Körper aus, Entsetzen gemischt mit unendlicher Wut.
Nun rollt sich Simon von Rebecca hinunter und schiebt sich an der Bettlehne mit dem Rücken hinauf – und blickt mir in die Augen. Seine Kinnlade fällt ihm runter, er reißt die Decke hoch um sich zu verdecken. Ist ja nicht so, als hätte ich ihm gerade beim Orgasmus zugeschaut und ihn nackt zu sehen wäre noch schlimmer.
Nun bin ich auch Rebecca aufgefallen. Sie sitzt schlagartig gerade im Bett und starrt mir ins Gesicht.
Ich starre zurück.
Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit, wie ich dort vor den beiden stehe. Sollte ich mich schämen, weil ich so lange zugeschaut habe? Sollte ich ausrasten, weil es mein Bett ist, in dem die beiden es getrieben haben? Bin ich unfreundlich und sollte mich eigentlich zu den beiden legen? Alles was ich denke, ergibt für mich keinen Sinn. Alles was ich weiß, ist so unwichtig. Alles was ich tue, ist nichts.
„Raus.“ Ich starre die beiden an. „Raus.“
Simon steht langsam auf, verdeckt sich noch immer den Schritt und greift nach seiner Boxershorts, die direkt auf meinen Sportsachen liegt. Sie liegt dort, als wäre es meine, was mich dazu bringt, mich kurz zu hinterfragen, ob sie es nicht vielleicht sogar ist. Während er sich unbeholfen anzieht, steht Rebecca auf und kommt zu mir, eingehüllt in meine Bettdecke.
„Jeff, bitte, lass mich dir das erklären“, haucht sie mir ins Ohr und versucht sich mir anzunähern, wobei sie dabei ungeschickt ist. Natürlich, sie hat Angst wie ich reagiere, voller Wut und Zorn oder Hass.  „Jeff, du machst mir Angst, bitte lass mit dir reden.“
Doch alles was ich tue, ist die Jeans und das Hemd von Simon mit der linken Hand aufzuheben, ihn so an mir vorbei zu geleiten, dass ich ihn vorwärts aus dem Haus führen kann und mit der rechten Rebeccas Haar zu fassen und sie, ohne mich um ihr voller Schmerz erfülltes Schreien zu kümmern, hinter mich her zu ziehen. Ich höre wie sie vor Tränen schluchzt und es zerbricht mir das Herz.
Mein Herz weint, als ich sie nackt aus dem Haus schmeiße. Sie stolpert, fällt ins Gras und bleibt dort wimmernd liegen. Es zerbricht mir mein Herz sie so zu sehen.  Es zerbricht mir mein Herz.
Simon werfe ich seine Sachen hinterher. Er kniet sich neben Rebecca nieder und umarmt sie, möchte ihr Schutz bieten. Schutz nicht nur davor, dass sie im Dunkeln nackt auf dem Rasen zu liegen, sondern Schutz vor der Verletzung, dem tiefen inneren Schmerz, der sich in ihr befindet.
Mit einem letzten wehmütigen Blick, gehe ich einen Schritt zurück ins Haus und schließe die Tür. Ich gehe zum Schlafzimmer und schließe auch diese Tür, als sei in dem Zimmer eine Luft, die sich nicht in den Rest des Hauses ausbreiten dürfe, als sei  diese Luft Gift.  Ich gehe ins Wohnzimmer und stelle mich in die Mitte des Raumes.
Ich lasse meine Schultern hängen, die ganze Last von mir abfallen.  Ich neige meinen Kopf in den Nacken. Und schreie. Ich schreie voller Wehmut. Ich schreie, weil ich alleine bin. Ich schreie aus Trauer. Ich schreie, weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll. Ich schreie.
Ich sacke in mir zusammen, knie erst nur auf den Boden, dann lasse ich mich fallen. Es ertönt ein plumpes Geräusch, wie ich auf den Boden falle. Ich liege auf dem Boden und weine. Weine, trauere und bin ich. Das schwache, alleine ich.




Diesen von mir selbst geschriebenen Text möchte ich gerne mit euch teilen.
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Florence + The Machine - You've Got The Love

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